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BMF und BMJ konkretisieren den Entwurf für eine Startup-Strategie der Bundesregierung


Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Justiz (BMJ) konkretisieren Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für eine Startup-Strategie der Bundesregierung 

 

Das BMWK hat einen Entwurf für eine Startup-Strategie der Bundesregierung (nachfolgend: „Entwurf“) veröffentlicht. Der Entwurf sieht ein Maßnahmenpaket vor, welches die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode umsetzen will. Damit will sie für Startups am Standort Deutschland die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen, um deren Beitrag zur wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Transformation zu vergrößern. 

Der Entwurf knüpft an den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an, der vorsah, „die Bedingungen für Startups am Technologiestandort [Deutschland zu] verbessern“. Laut dem Entwurf soll sich bis zum Jahre 2030 die Zahl der derzeit 29 Einhörner, also Start-ups mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar, verdoppeln. 

Die zur Förderung dieses Ziels geplanten Maßnahmen sind vielfältig und umfassen die Themen Finanzierung, Talentgewinnung und Mitarbeiterbeteiligung, Digitalisierung, Diversität, Wissenschaftsausgründungen, Gemeinwohlorientierte Startups, Zugang zu öffentlichen Aufträgen, Datenzugang, Reallabore sowie Sichtbarkeit und Vernetzung von Startups. Das wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Entwurfs durch das BMF und das BMJ gemeinsam veröffentlichte Eckpunktepapier für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz (nachfolgend: „Eckpunktepapier“), mit dem Startups, Wachstumsunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen die Eigenkapitalaufnahme erleichtert werden soll, sieht schon konkrete Vorschläge zur Umsetzung vor. Klar ist nun, dass aus Sicht der Finanzverwaltung EuVECA-Fonds, die vorwiegend in Unternehmen investieren, die nicht älter als 12 Jahre sind, regelmäßig ohne weitere Einschränkungen von der Befreiung profitieren können. 

Finanzierung 

Startups steht nicht in demselben Maße wie etablierten Unternehmen der Zugang zu traditionellen Finanzierungsmethoden wie Bankfinanzierungen offen, wobei als eine wichtige Ausnahme der sich zunehmend vergrößernde Venture-Debt-Markt zu nennen ist. Die Bundesregierung sieht kritisch, dass vor allem im Spätphasensegment und bei größeren Finanzierungsrunden ausländische Investoren vorherrschen und die Wertschöpfung dadurch (teilweise) im EU-Ausland stattfindet. 

Zur Unterstützung, insbesondere bei größeren Finanzierungsrunden, will die Bundesregierung deshalb über den Zukunftsfonds € 10 Milliarden neue öffentliche Mittel in einem Investitionszeitraum bis 2030 bereitstellen. Die Freigabe dieser Mittel erfolgte bereits mit Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Jahr 2021 durch den Bundestag. Sie verspricht sich hierdurch unter anderem auch die Mobilisierung von institutionellem Kapital. Zusammen mit privaten Investoren sollen € 30 Milliarden für den deutschen Wagniskapitalmarkt bereitstehen. Dazu verweist die Bundesregierung auf den Ausbau bereits bestehender und den Aufbau neuer Fonds und Module, die teilweise staatlich finanziert und staatlich gefördert werden sollen.  

Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene sollen finanzielle Anreize für Gründungen geschaffen werden. Die Bundesregierung nennt hier die European Tech Champions Initiative, einen Dachfonds, der zentraler Baustein einer gesamteuropäischen Scale-up Initiative sein und mit dem Fonds für späte Finanzierungsphasen geschaffen werden sollen. Ein Beispiel hierfür ist der Deep Tech Future Fonds, der technologieintensive Gründungen durch eine lange Finanzierungslaufzeit unterstützt, die die üblichen Finanzierungszeiträume im VC-Markt übersteigt.  

Auch Rentenversicherungen und Pensionskassen sollen ihren Teil zur Finanzierung beitragen. So sieht der Entwurf im Rahmen des Aufbaus eines Kapitalstocks dieser institutionellen Investoren eine Mindestinvestitionsquote in Venture Capital Fonds vor. Inwiefern damit eine aufsichtsrechtliche Deregulierung der Investitionen in Private Equity und Venture Capital Fonds einhergeht, bleibt abzuwarten. Derzeit sieht das Aufsichtsrecht besondere Beschränkungen vor, um das Risikoprofil der Rentenversicherungen und Pensionskassen gering zu halten.  

Um Exit-Kanäle zu stärken, ist eine Änderung des Kapitalmarktrechts vorgesehen. In diesem Rahmen wird eine Modernisierung der Börsenzulassungsvorschriften, eine Lockerung der Streubesitzregel (Zulassung von Mehrfachstimmrechten) und die Flexibilisierung von Kapitalerhöhungen angestrebt. Die Erleichterung der Börsenzulassung soll nach dem Eckpunktepapier über eine Änderung von § 2 Abs. 1 Börsenzulassungsverordnung erfolgen. Nach derzeitigem Recht ist für die Börsenzulassung eines Unternehmens ein erwarteter Emissionskurswert von € 1,25 Millionen erforderlich. Dieser Wert soll auf € 1 Million gesenkt werden. Hinsichtlich der Flexibilisierung von Kapitalerhöhungen sollen nach dem Eckpunktepapier Erleichterungen für den Bezugsrechtsausschluss und das bedingte Kapital geschaffen werden.  

Anreize sollen letztlich auch von steuerlicher Seite kommen – der Entwurf sieht die Umsetzung einer Umsatzsteuerbefreiung für Wagniskapitalfonds vor. 

Talentgewinnung und Mitarbeiterbeteiligung 

Auch und vor allem die Startup-Szene ist vom Fachkräftemängel betroffen, insbesondere im IT-Segment. Um hier Talente zu gewinnen, will die Bundesregierung die Einwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten vereinfachen, beschleunigen und verstärken sowie "Remote-Work" aus dem Ausland erleichtern. Im Einwanderungsrecht sollen, insbesondere bei der Anerkennung von Berufs- und Hochschulabschlüssen, bestehende Hürden gesenkt werden. 

Auch steuerliche Verbesserungen wie die Änderung des erst vor knapp einem Jahr in Kraft getretenen § 19a EstG regt das Eckpunktepapier, etwa durch Verlängerung der 12-Jahresfrist und/oder Wegfall der Besteuerung bei Arbeitgeberwechsel, an, ohne sich jedoch auf konkrete Änderungen festzulegen.  

Zudem soll die Anhebung des Steuerfreibetrags für das Überlassen kostenfreier oder verbilligter Anteile am Unternehmen Mitarbeiterbeteiligung attraktiver machen. Das Eckpunktepapier schlägt hier eine Anhebung von derzeit € 1.440 auf € 5.000 vor. 

Digitalisierung 

Eine weitere bedeutende rechtliche Änderung plant die Bundesregierung im Bereich der Digitalisierung. Um Gründungen möglichst einfach und digital zu ermöglichen, sollen ein notarielles Onlineverfahren zur Bargründung einer GmbH sowie Online-Beurkundungen von Sachgründungen einer GmbH möglich sein. Hiermit korrespondiert die Möglichkeit von Online-Anmeldungen zum Handelsregister sowie zum Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister.  

Durch die Schaffung eines sog. "One-Stop-Shop" soll der Gründungsprozess vollständig digital, unbürokratisch und einfach abgewickelt werden können. Kombiniert werden soll dies mit einer Plattform, die es Gründern erlaubt Förderungen zu suchen, zu beantragen und durchzuführen. 

Diversität 

Um die Quote der Gründerinnen von Startups zu erhöhen, will die Bundesregierung im Förderprogramm EXIST künftig eine neue Förderlinie namens "EXIST Women" einrichten und damit finanzielle Anreize für weibliche Gründerinnen schaffen. Darüber hinaus sollen staatliche Fonds und Beteiligungsgesellschaften geschlechterparitätisch besetzt werden. Damit sollen zum einen die institutionellen Investoren selbst stärker geschlechterparitätisch besetzt sein und zum anderen soll Gründerinnen der Zugang zu Risikokapital und Business Angels insgesamt erleichtert werden. 

Wissenschaftsausgründungen 

Beim Förderprogramm EXIST wird eine Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht, um Projekte mit langer Laufzeit, die die Etablierung von hochschulübergreifenden Ökosystemen zum Ziel haben, zu fördern. 

Weitere Maßnahmen sollen die Unterstützung bei der Übertragung geistigen Eigentums sowie bei der Vernetzung innerhalb der Hochschulen und beim Austausch zwischen den Hochschulen, insbesondere in Form von Best Practices, sein. 

Gemeinwohlorientierte Startups 

Startups, die gesellschaftliche Probleme mit unternehmerischen Mitteln lösen, sollen nicht nur finanziell durch europäische Strukturfondsmittel, sondern auch durch die Erhöhung ihrer Sichtbarkeit unterstützt werden. Das soll insbesondere bei der öffentlichen Mittelvergabe sowie durch Stärkung von Inkubatoren und Akzeleratoren, die entsprechende Startups fördern, geschehen 

Zugang zu öffentlichen Aufträgen 

Bislang haben sich nur 31 Prozent der Startups um öffentliche Aufträge bemüht. Um diese Zahl zu erhöhen, soll ein E-Marktplatz beim Kompetenzzentrum für Innovative Beschaffung (KOINNO) eingerichtet und eine zentrale Vergabeplattform installiert werden, über die Daten zu allen Vergabeverfahren abrufbar sein werden. Ziel ist es, durch die Digitalisierung der Vergabeverfahren den Zugang zu öffentlichen Mitteln zu vereinfachen. 

Datenzugang 

Um für Startups einen ausreichenden Zugang zu Daten zu gewährleisten, sollen Anreize für das Teilen von Daten gesetzt werden. Dazu soll ein Rechtsanspruch gegenüber dem Bund auf Zugang zu Daten des öffentlichen Sektors geschaffen werden, damit der Zugang erleichtert und Rechtsunsicherheiten abgebaut werden können. 

Reallabore 

Reallabore bieten Startups die Möglichkeit, ihre Ideen unter Aufsicht im realen Umfeld zu pilotieren. Die Bundesregierung will ein Reallabore-Gesetz auf den Weg bringen, um innovationsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Dadurch sollen Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden auch solche Technologien und Geschäftsmodelle erproben können, die an die Grenzen des nach allgemeinem Recht Zulässigen stoßen. Die Bundesregierung verspricht, dabei die besonderen Anforderungen zu berücksichtigen, die von Startups gestellt werden. 

Sichtbarkeit und Vernetzung von Startups 

Unter anderem wird die Bundesregierung einen jährlichen "Startup Summit Germany" veranstalten, auf dem sich die Akteure des Startup-Ökosystems austauschen und vernetzen können. 

Ausblick 

Im Hinblick auf die im Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen bleibt einiges unscharf – insbesondere wäre eine zeitliche und an manchen Stellen inhaltliche Konkretisierung wünschenswert gewesen. So äußert sich der Entwurf hinsichtlich des zeitlichen Rahmens nur dahingehend, dass die Maßnahmen „innerhalb der Legislaturperiode“ umgesetzt werden sollen. Inhaltlich betrifft dies beispielsweise die Umsetzung der Mindestinvestitionsquote in VC-Fonds für Rentenkassen und Pensionskassen, die starken regulatorischen Vorgaben unterliegen. Darüber hinaus bleibt unklar, welche Unternehmen letztlich von den Maßnahmen profitieren sollen. „Startups“ werden eher schwammig als „junge innovative Unternehmen mit Wachstumsambitionen“ bezeichnet. 

Bei der Erhöhung des Steuerfreibetrages nannte der Entwurf noch keine konkreten Zahlen. Zwar wurde der Steuerfreibetrag erst jüngst durch das Fondsstandortgesetz vom Jahr 2021 von € 360 auf € 1.440 pro Jahr angehoben, § 3 Nr. 39 EStG. Im Vergleich zu Ländern wie Großbritannien (derzeit umgerechnet etwa € 4.200 pro Jahr), Österreich (€ 4.500 pro Jahr) oder Spanien (€ 12.000 pro Jahr) hinkt Deutschland jedoch weit hinterher. Das Eckpunktepapier, das im Gegensatz zum Entwurf eine Anhebung des Steuerfreibetrages auf € 5.000 vorschlägt, ist daher zu begrüßen. Mit der vorgeschlagenen Anhebung würde man sich auf Augenhöhe mit den europäischen Nachbarn begeben und an einigen sogar vorbeiziehen. Dennoch bleibt zu dem Thema Mitarbeiterbeteiligung zu resümieren, dass Politik und Branche hier bisher nicht zusammenfinden, da die Praxis des Marktes, Mitarbeitern keine echten Anteile, sondern virtuelle Anteile oder Optionsrechte zu gewähren, bisher nicht steuerbegünstigt abgebildet werden kann. 

Im Rahmen der Digitalisierung wird ein erster großer Schritt die Umsetzung des Gesetzes zur Digitalisierungsrichtlinie sein, das am 01. August 2022 in Kraft treten wird und Online-Gründungen von GmbHs und bestimmte Online-Handelsregisteranmeldungen ermöglicht (weitere Informationen dazu: Going Digital – The German Notary). Nach gegenwärtiger Rechtslage ist noch das körperliche Erscheinen der Gründer und des Geschäftsführers vor dem Notar notwendig. War der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes vom 05. Juli 2021 noch auf die Bargründung einer GmbH beschränkt, sieht die Ergänzung des Entwurfes vom 13. April 2022 nun eine Erweiterung auf Sachgründungen vor. Darüber hinaus sollen nach dem Regierungsentwurf auch Gesellschafterbeschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalmaßnahmen in den Anwendungsbereich des Online-Verfahrens fallen.  

Begrüßenswert sind ferner insbesondere die konkreten Aussagen zur Stärkung der Diversität, etwa durch geschlechterparitätische Besetzung von staatlichen Fonds, sowie die Erhöhung der Sichtbarkeit von Startups und die geplante gesetzgeberische und strukturelle Unterstützung beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen, Daten und Reallaboren. 

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