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Einlagenrückgewähr für sogenannte Drittstaatengesellschaften nach dem Jahressteuergesetz 2022


Am 20. Dezember 2022 wurde das Jahressteuergesetz 2022 verkündet (BGBl. I 2022, S. 2294; vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 20/3879, 20/4229 – Drucksache 20/4729). 

Neben einer Vielzahl anderer steuerlicher Regelungen enthält das Jahressteuergesetzes 2022 auch eine Neuregelung betreffend die sog. Einlagenrückgewähr von Kapitalgesellschaften, die weder in Deutschland noch in der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) unbeschränkt steuerpflichtig sind („Drittstaatengesellschaften“).  

Der Gesetzgeber greift damit eine seit Jahren bestehende Unsicherheit auf und räumt nun ausdrücklich auch den inländischen Anteilseignern von Drittstaatengesellschaften die Möglichkeit einer steuerneutralen Rückgewähr von zuvor eingezahlten Einlagen ein.  

Was zunächst wie eine begrüßenswerte Verbesserung oder zumindest Klarstellung der Rechtslage erscheinen mag, bringt jedoch auch Nachteile und praktische Schwierigkeiten mit sich. Bislang war eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs („BFH“) ohne ein gesondertes, formelles Verfahren möglich, wenn der inländische Anteilseigner hinreichende Nachweise erbrachte. Dieser Auffassung hatte sich die Finanzverwaltung – nach langem Zögern – erst im April dieses Jahres angeschlossen. Ab Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Januar 2023 ist eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr nunmehr nur noch möglich, wenn die auszahlende Drittstaatengesellschaft innerhalb einer gesetzlichen Frist einen förmlichen Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern stellt. Gerade Anteilseigner, die nur eine Minderheitsbeteiligung halten, dürften es in der Praxis meist schwer haben, die Drittsaatengesellschaft zu einer solchen Antragstellung zu veranlassen 

1. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung

Schüttet eine Kapitalgesellschaft Geld oder sonstige Wirtschaftsgüter an ihre Anteilseigner aus, kann es sich dabei aus steuerlicher Sicht entweder um – steuerpflichtige – Dividenden oder – steuerneutrale – Rückzahlungen von Einlagen der Anteilseigner handeln. 

1.1. Allgemeine Anforderungen an die steuerneutrale Einlagenrückgewähr 

Aufgrund der praktischen Schwierigkeiten und der erheblichen steuerlichen Folgen der Kategorisierung formuliert das Gesetz besondere Anforderungen an die Anerkennung einer (steuerneutralen) Einlagenrückgewähr: 

  • Die ausschüttende Gesellschaft muss ein sog. steuerliche Einlagekonto führen und lückenlos jährlich fortschreiben. 
  • Das steuerliche Einlagekonto muss im Zeitpunkt der Ausschüttung einen positiven Bestand ausweisen. 
  • Die Ausschüttung muss den Betrag des ausschüttbaren Gewinns (einschließlich vorhandener Gewinnrücklagen) übersteigen. 

Bei dem steuerlichen Einlagekonto handelt es sich um eine (außerbilanzielle) steuerliche Nebenrechnung. Hintergrund des steuerlichen Einlagekontos ist es, bestimmte Einzahlungen in die Gesellschaft festzuhalten, um später die (nicht steuerbare) Rückgewähr dieser Einlagen von (steuerpflichtigen) Einkünften abzugrenzen. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass aufgelaufene Gewinne (einschließlich Gewinnrücklagen) stets vorrangig als ausgeschüttet gelten, bevor auf dem steuerlichen Einlagekonto ausgewiesene Beträge steuerneutral zurückgeführt werden können (sog. „Verwendungsfiktion“).  

Für in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften („Inlandsgesellschaften“) sieht das Gesetz – unabhängig von tatsächlichen Ausschüttungen – jährlich eine gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos durch das zuständige Finanzamt vor.  

1.2. Besonderheiten bei EU- und Drittstaatengesellschaften 

Daneben enthielt das Gesetz schon bisher für in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften („EU-Gesellschaften“) eine Regelung zur Feststellung einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr. Voraussetzung hierfür war insbesondere, dass die ausschüttende Gesellschaft bis zum Ablauf des auf die Ausschüttung folgenden Jahres einen entsprechenden Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern stellt. Diese Regelung schloss Drittstaatengesellschaften jedoch nicht ausdrücklich mit ein. 

Aus diesem Grund vertrat die Finanzverwaltung über viele Jahre die Rechtsauffassung, ihren inländischen Anteilseignern sei eine steuerneutrale Einlagenrückgewehr durch den Gesetzgeber bewusst versagt worden. In der Folge fanden sich inländische Anteilseigner von Drittstaatengesellschaften einem erhöhten Risiko ausgesetzt, dass Kapitaleinlagen, die sie an die Gesellschaft leisten und die später wieder an sie zurückfließen, als Dividende steuerpflichtig werden. Ein solches Szenario dürfte selbst bei steuerlichen Laien ein empfindliches Störgefühl verursachen. Denn weder die Einlage noch deren spätere Rückzahlung steigern bzw. mindern die steuerliche Leistungsfähigkeit der betreffenden Steuersubjekte. Es kommt zu einer Substanzbesteuerung des Vermögens.  

Im Widerspruch zu der Auffassung der Finanzverwaltung stand die Auffassung des BFH. Dieser ebnete durch mehrere Urteile des VIII. und I. Senats den Weg zu einer Anerkennung der steuerneutralen Einlagenrückgewähr auch bei Drittstaatengesellschaften (vgl. BFH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, BFHE 254, 390; Urt. v. 10.4.2019 – I R 15/16, BStBl. II 2022, 266). Jede andere Beurteilung verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) und das Verbot der Substanzbesteuerung. Unklar blieb in der Praxis aber lange, auf welche Weise die Anteilseigner einer Drittstaatengesellschaft eine Einlagenrückgewähr nachweisen konnten. Denn die bisherigen gesetzlichen Regelungen (§ 27 Abs. 1 und 8 KStG) waren aufgrund des eindeutigen Wortlautes nicht anwendbar.   

Erst im April 2022 schloss sich die Finanzverwaltung schließlich der Auffassung des BFH an und erläuterte in einem BMF-Schreiben (IV C 2-S 2836/20/10001:002, BStBl. I 2022, 647) die Voraussetzungen für die Anerkennung einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr durch Drittstaatengesellschaften. Danach sollte es dem inländischen Anteilseigner möglich sein, eine Einlagenrückgewähr im Rahmen des Veranlagungsverfahrens geltend zu machen. Er sollte also gerade nicht auf die Stellung eines entsprechenden Antrags (samt Ausschlussfrist) durch die ausschüttende Gesellschaft angewiesen sein. Zudem wurde ausdrücklich festgehalten, dass eine Überleitungsrechnung der ausländischen Handelsbilanz für den Nachweis der Einlagenrückgewähr nicht erforderlich sein sollte. Die Vorlage von Nachweisen über die Höhe der Beteiligung, die Ausschüttungs-beschlüsse und die ausländische Bilanz der ausschüttenden Gesellschaft sollten grundsätzlich genügen. 

2. Besonderheiten bei EU- und Drittstaatengesellschaften 

Mit der gesetzlichen Neufassung (§ 27 Abs. 8 KStG) wird der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes nun ausdrücklich auf EWR- und Drittstaatengesellschaften erweitert. Für EWR-Gesellschaften entspricht dies der bisherigen Praxis der Finanzverwaltung, die eine Gleichbehandlung von EU- und EWR-Gesellschaften für geboten hielt. Für Drittstaatengesellschaften ändert sich die Rechtslage aber in jedem Fall. 

Nunmehr gilt für EU-, EWR- und Drittstaatengesellschaften einheitlich Folgendes: 

  • Die Einlagenrückgewähr ist auf Antrag der ausschüttenden Gesellschaft gesondert festzustellen. Fehlt es an der gesonderten Feststellung, gilt die Auszahlung als steuerpflichtige Gewinnausschüttung. 
  • Der Antrag ist bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs (Hinweis: Nach der a.F. wurde auf das Kalenderjahr abgestellt), welches auf die Ausschüttung folgt, zu stellen (gesetzliche Ausschlussfrist). 
  • Zuständig für die Bearbeitung des Antrags ist – zentral für Deutschland – das Bundeszentralamt für Steuern („BZSt“).  
  • Für den Antrag ist ein amtlich erstellter Vordruck zu nutzen. In diesem hat die Finanzverwaltung in der Vergangenheit die konkreten Nachweispflichten dokumentiert, die von der ausschüttenden Gesellschaft zu erfüllen sind. Erforderlich sei demnach vor allem eine lückenlose Entwicklung des steuerlichen Einlagebestands. Weiter müssen die maßgeblichen Jahresabschlüsse vorgelegt werden, wobei aus Sicht der Finanzverwaltung ausgehend von der ausländischen Handelsbilanz eine Überleitungsrechnung ins deutsche Steuerrecht vorzunehmen ist. 

3. Ausblick und Handlungsempfehlungen

Die gesetzliche Neuerung sorgt zunächst einmal für eine gewisse Rechtssicherheit, was die Frage nach der Einlagenrückgewähr bei Drittstaatengesellschaften angeht, weil diese nunmehr erstmalig für diesen Anwendungsfall gesetzlich fixiert wird.  

Bemerkenswert ist gleichwohl, dass die gesetzliche Neuregelung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem sich die Finanzverwaltung nach Jahren der Rechtsunsicherheit gerade durchgerungen hatte, die steuerneutrale Einlagenrückgewähr dem Grunde nach auch für inländische Anteilseigner einer Drittstaatengesellschaft anzuerkennen und die Nachweisanforderungen im Detail in einem BMF-Schreiben formuliert hat. Im Vergleich zu dem BMF-Schreiben wird die Anerkennung einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr durch die gesetzliche Neuregelung in der Praxis in vielen Fällen erheblich erschwert. Darauf sollten sich Steuerpflichtige, die Beteiligungen an Drittstaatengesellschaften halten, einstellen.  

Praktische Probleme dürfte insbesondere bereiten, dass das Gesetz nun auch einen fristgebundenen Antrag erfordert. Bislang – und auch nach dem BMF-Schreiben – konnte der Nachweis ohne formelle Antragstellung und – vor allem – unabhängig von einer gesonderten Frist erbracht werden.  

Zudem ist der Antrag durch die ausschüttende Gesellschaft zu stellen, auf die der Gesellschafter möglicherweise keinen (hinreichenden) Einfluss hat. Der Nachweis auf Ebene des Ausschüttungsempfängers ist nicht mehr möglich und er wird die Antragstellung bei der ausschüttenden Gesellschaft möglicherweise auch nicht durchsetzen können.  

Auch die Frage der Nachweise und welche Informationen – gerade bei außerhalb der EU belegenen Gesellschaften – erbracht werden können, ist für die erfolgreiche Antragstellung entscheidend. Nachdem das BMF-Schreiben erfreulicherweise auf das Erfordernis einer Überleitungsrechnung betreffend die ausländische Bilanz verzichtet hatte, dürfte eine solche im Rahmen des Antragsverfahrens – sofern die bisherige Praxis beibehalten wird – nunmehr wieder erforderlich werden. 

Schließlich löst die Antragstellung sowie das voraussichtlich langwierige Verfahren unter Umständen signifikante Kosten aus, welche die Antragstellung im Einzelfall auch unwirtschaftlich erscheinen lassen könnten. Insoweit ist zu beachten, dass das BZSt bereits mit den Anträgen für Ausschüttungen aus EU-Gesellschaften aufgrund fehlender personeller Kapazitäten überfordert zu sein scheint. Diese Verfahren dauern meist mehrere Monate, oft auch ein, zwei oder mehrere Jahre. Die Vermutung liegt nahe, dass die Bearbeitungsdauer zum einen auch in diesen Fällen weiter steigt und zum anderen auch in den Fällen mit Drittstaatenbezug (mindestens) ebenso lange dauern wird. Dies jedenfalls dann, wenn das BZSt die personellen Ressourcen in diesem Bereich nicht signifikant aufstockt. Schließlich ist zu beachten, dass die Komplexität steigt, da sich das BZSt und die übrigen Rechtsanwender künftig nicht nur vertieft mit den EU-Ländern befassen, sondern sich nun gleich die ganze Welt vornehmen müssen.  

Gerne stehen wir für Fragen, Diskussionen und die gemeinsame Entwicklung von Strategien zur Erfüllung der neuen Anforderungen zur Verfügung.

 

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