BFH zweifelt an Schenkungsteuerpflicht disquotaler Kapitalrücklagen und stärkt Rechtssicherheit für VC-Strukturen mit Liquidationspräferenz.
Gesellschafter zahlen mitunter – gemessen an ihrer regulären Beteiligungsquote – disquotal in die Kapitalrücklage ein. Häufig findet sich dieses Phänomen im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und Finanzierungsrunden. Während die Investoren üblicherweise erhebliche finanzielle Mittel haben, ist dies bei den Managern bzw. Gründern häufig nicht der Fall. Die Investoren zahlen daher den Nominalbetrag der Anteile und leisten zusätzlich erhebliche Zahlungen in die Kapitalrücklage. Die Manager leisten hingegen nur den Nominalbetrag der Anteile. Im Gegenzug erhalten die Investoren eine Liquidationspräferenz. Diese sieht vor, dass die Kapitalrücklage allein den Investoren zusteht und sie diesen Betrag vorrangig zurückgezahlt erhalten. Zusätzlich wird die Kapitalrücklage meist wirtschaftlich verzinst, d.h. neben der vorrangigen Kapitalrückzahlung wird auch ein etwaiger Ertrag vorrangig in einer zuvor bestimmten Höhe an die Investoren gezahlt. Dies dient als Ausgleich für ihren frühzeitigen Kapitaldienst und das entgegengenommene Ausfallrisiko. Alternativ finden sich auch Modelle mit personenbezogenen Kapitalrücklagen.
Eine disquotale Einzahlung in die Kapitalrücklage könnte eine sogenannte fiktive Schenkung iSd § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG darstellen. Die Vorschrift wurde geschaffen, um Besteuerungslücken zu schließen, bei denen nur ein Gesellschafter Mittel in die Kapitalrücklage einer Kapitalgesellschaft einzahlt und faktisch seine Mitgesellschafter bereichert. Denn die direkte Zahlung an die Gesellschafter wäre als Schenkung iSd § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG einzustufen, die Zahlung an die Kapitalgesellschaft hingegen nicht. Diese Lücke soll die Sondernorm des § 7 Abs. 8 ErbStG schließen – mit der Gefahr einer überschießenden Wirkung bei der Rechtsanwendung in der Praxis.
Nach Auffassung des BFH ist eine disquotale Einlage eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage seiner Kapitalgesellschaft grundsätzlich geeignet, zu einer steuerbaren Werterhöhung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu führen. Dies ist sachgerecht, weil sich durch eine solche Leistung auch der Wert der Anteile der nicht einlegenden Gesellschafter anteilig erhöht. Zu einer solchen Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kommt es jedoch nicht, wenn dem einlegenden Gesellschafter anlässlich seiner Leistung zusätzliche Rechte gewährt werden, wie zum Beispiel eine Verbesserung seines Gewinnanteils, zusätzliche Anteile an der Gesellschaft oder eine von den Geschäftsanteilen abweichende Verteilung des Vermögens bei späterer Liquidation.
Zwar handelt es sich bei der Entscheidung des BFH nur um einen Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung. Der BFH musste somit nicht final entscheiden, sondern hat nur ernsthafte Zweifel an der Auffassung des Finanzamts bekundet. Gleichwohl dürfte der Beschluss des BFH die Rechtssicherheit sowohl für disquotale Kapitalrücklagen mit Liquidationspräferenz als auch für personenbezogene Kapitalrücklagen erhöhen. Es ist zu erwarten, dass der BFH in der Hauptsache genauso entscheidet, auch wenn dies nicht mit der letzten Sicherheit vorherbestimmt werden kann.
Die vollständige Entscheidung finden Sie als BFH-Beschluss vom 06.06.2025 – II B 43/24 (AdV).
Download YPOG Briefing: BFH erhöht die Rechtssicherheit für disquotale Kapitalrücklagen