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Briefing | Neueste Entwicklungen bei der Umsatzbesteuerung von NFT-Transaktionen

Geschrieben von YPOG | 26. August 2025

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Krypto-Transaktionen ist derzeit von erheblichen Unsicherheiten geprägt, da die Finanzverwaltung bislang lediglich Stellung zur Besteuerung von Bitcoin und vergleichbaren virtuellen Währungen bezogen hat (vgl. BMF-Schreiben vom 27.02.2018 – III C 3 - S 7160-b/13/10001). 

Vor diesem Hintergrund kommt dem aktuellen Urteil des FG Niedersachsen besondere Bedeutung zu. Es handelt sich um die erste finanzgerichtliche Entscheidung in Deutschland, die sich mit der umsatzsteuerlichen Behandlung des Handels mit Non-Fungible Tokens (NFTs) befasst und damit einen wichtigen Impuls für die steuerliche Einordnung von Krypto-Assets im Allgemeinen darstellt. 

1. Der Fall 

Der in Deutschland ansässige Kläger war als Wiederverkäufer von NFTs zu digitalen Bilddateien (sog. „NFT Collectibles“) tätig, die über internationale digitale Marktplätze gehandelt wurden. Dabei wurde nicht das digitale Objekt selbst übertragen, sondern ein auf einer dezentralen Blockchain gespeicherter Datenbankeintrag, der als Eigentumsnachweis dient. 

Die Transaktionen erfolgten nahezu ausschließlich über die Plattform „OpenSea“ und wurden unter Nutzung der Ethereum-Blockchain sowie anderer dezentraler Blockchains abgewickelt. Für den Verkauf der NFTs war es erforderlich, dass der Kläger seine Krypto-Wallet (eine Art digitale Geldbörse) mit der Plattform des digitalen Marktplatzes sowie dessen Smart-Contract-Programmen verbindet. Die Wallet dient dabei der Verwaltung von Zugangsinformationen, um auf Inhalte auf der Blockchain zuzugreifen. 

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass aufgrund der Pseudonymisierung der Wallet-Adressen und der teilweisen Anonymität der Erwerber keine Möglichkeit bestehe, die Erwerberseite zu identifizieren oder deren Sitz bzw. Wohnsitz zu bestimmen. Aus tatsächlichen Gründen sei es deshalb nahezu ausgeschlossen, Informationen über den Leistungsempfänger und dessen Anschrift zu erhalten. In Ermangelung der Identifizierbarkeit des Leistungsempfängers liege folglich kein Leistungsaustausch im umsatzsteuerlichen Sinne vor.  

2. Wichtige Aussagen des Urteils 

Umsatzsteuerlich besonders von Relevanz sind die folgenden Aspekte des Urteils:   

  • NFT-Transaktionen sind keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG): Die Übertragung dieser NFTs stellt eine elektronisch erbrachte sonstige Leistung dar. Der Erwerber erhält keinen körperlichen Gegenstand, sondern einen Datenbankeintrag auf einer Blockchain, der ihn als „Eigentümer“ eines digitalen Guts ausweist. Der Leistungsort ergibt sich somit – sowohl für Nichtunternehmer als auch für Unternehmer - nach der Ansässigkeit des Erwerbers.   
  • Keine Anwendung der Fiktion eines Dienstleistungskommissionsgeschäfts: 
    Das FG lehnt die Anwendung der Fiktion eines Dienstleistungskommissionsgeschäfts nach § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG ab. Daraus folgt, dass die Leistungen nicht unter Einbeziehung des Plattformbetreibers, sondern unmittelbar vom Verkäufer an den Erwerber ausgeführt werden. Nach Auffassung des Gerichts kommt die Fiktion insbesondere deshalb nicht zur Anwendung, weil die Leistungen nicht über die Plattform OpenSea, sondern über eine dezentrale Blockchain-Infrastruktur erbracht werden. Die Transaktion wird durch ein automatisiert ausgelöstes Smart-Contract-Programm an die Blockchain übermittelt und dort ausgeführt. Damit fehlt die zentrale Kommissionsstruktur, wie sie etwa bei einem App-Store vorliegt.  
  • Erweiterte Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten des Leistenden: Das Gericht verneint die Argumentation des Klägers, wonach mangels identifizierbaren Leistungsempfängers kein Leistungsaustausch vorliege. Nach Auffassung des Gerichts genügt bereits die Identifizierbarkeit über eine Wallet-Adresse zur Begründung eines umsatzsteuerlich relevanten Leistungsaustauschs – auch wenn Name und Anschrift des Erwerbers nicht bekannt sind. Dies wird mit Bargeschäften verglichen, bei denen der Käufer ebenfalls anonym bleiben kann.  

Darüber hinaus ist der Leistende verpflichtet, in zumutbarem Umfang an der Feststellung des Empfängerorts (als Anknüpfungspunkt für die umsatzsteuerliche Besteuerung) mitzuwirken. Nach Ansicht des Gerichts ist es dem Leistenden möglich und zumutbar, eine Handelsplattform zu wählen, die die erforderlichen Informationen über den Empfängerort bereitstellen kann. Daraus lässt sich ableiten, dass es in der Verantwortung des Verkäufers liegt, eine Plattform auszuwählen, die eine entsprechende Datenbereitstellung gewährleistet. 

Da der Kläger im Streitfall keine zweifelsfreien Nachweise über den Empfängerort erbringen konnte, nahm das Gericht eine Schätzung der im Inland steuerbaren Umsätze vor. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände gelangte es zu dem Ergebnis, dass 50 % der Umsätze im Inland steuerbar und steuerpflichtig seien – ein deutlich höherer Wert als die vom Kläger angenommene Quote von ca. 3 %. 

Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung der Mitwirkungspflichten für eine rechtssichere umsatzsteuerliche Behandlung pseudonymer Blockchain-Transaktionen.

3. Welche Bedeutung hat das Urteil für die Praxis? 

  • Die Pseudo- und Anonymisierung von Leistungsempfängern im Handel mit Krypto-Assets stellt die Vertragsparteien, außerhalb der digitalen Plattformen, vor eine in der Praxis unermessliche Herausforderung bei der Identifizierung der Vertragsparteien. Das nun ergangene Urteil verdeutlicht, dass Handlungsbedarf für Verwaltung, Verkäufer und Plattformen besteht, um die steuerlichen Pflichten des Leistenden mit den praktisch möglichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen.  

    Es empfiehlt sich daher, die aktuelle Ausgestaltung der Vertragsmodalitäten dahingehend zu überprüfen, inwiefern NFT-Marktplätze in die Leistungskette eingebunden sind. Im Rahmen des Handels mit NFTs über Plattformen sollte die Anwendung der Fiktion eines Dienstleistungskommissionsgeschäfts gemäß § 3 Abs. 11a Satz 1 UStG nicht ohne eingehende Prüfung unterstellt werden. Es erscheint sogar fraglich, ob diese Vorschrift auf NFT-Marktplätze überhaupt anwendbar ist, da die Leistungen typischerweise dezentral über eine Blockchain-Infrastruktur erbracht werden. Vor diesem Hintergrund könnten weitergehende vertragliche Regelungen erforderlich sein, um ein steuerlich wirksames Kommissionsverhältnis zu begründen und somit die Plattform als solche als wohl identifizierbaren Leistungsempfänger zu statuieren.  

    Scheidet die Einbindung der Plattform aus, bestimmt sich der Leistungsort nach dem Ort der Ansässigkeit des Leistungsempfängers (Erwerber der NFTs). In solchen Fällen treffen den leistenden Unternehmer besondere Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten, insbesondere zur Feststellung des Leistungsempfängerorts. Problematisch bleibt in diesem Zusammenhang, dass die Identität der Erwerber aufgrund der Pseudonymisierung über Wallet-Adressen ohne weitere Informationen regelmäßig nicht eindeutig festgestellt werden kann. Aus deutscher Sicht verbleibt in diesen Fällen ein Risiko, dass die deutsche Finanzverwaltung – ähnlich wie im Vorlagefall – die Besteuerungsgrundlage der im Inland ansässigen Kunden umfassend schätzt. Darüber hinaus verbleiben gleichermaßen umsatzsteuerliche Risiken aus einer potenziellen Endkundenbesteuerung im Ausland.  

    Download: YPOG Briefing: Neueste Entwicklungen bei der Umsatzbesteuerung von NFT-Transaktionen