Mit dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Umsetzung der Umweltstrafrechtsrichtlinie (EU) 2024/1203 steht eine weitreichende Reform des Umweltstrafrechts bevor. Für Unternehmen bedeutet der Entwurf eine deutliche Ausweitung strafrechtlicher Risiken: Die Strafbarkeit setzt früher an, erfasst neue Schutzgüter und weitere umweltbezogene Handlungen. Zugleich soll der Bußgeldrahmen des § 30 Abs. 2 OWiG vervierfacht werden – und zwar nicht nur für Umweltstraftaten, sondern für alle vorsätzlichen Straftaten, die einem Unternehmen zugerechnet werden können. Damit geht der Entwurf über die EU-Vorgaben deutlich hinaus.
Der ausgeweitete Bußgeldrahmen signalisiert eine neue Erwartung an unternehmerische Verantwortung und macht robuste Compliance- und Umweltmanagementsysteme unerlässlich. Prozesse, Genehmigungs- und Dokumentationsabläufe sowie Zuständigkeiten sollten jetzt überprüft und angepasst werden. Auch die Sensibilisierung der Führungsebene gewinnt an Bedeutung.
Zudem ist eine Intensivierung grenzüberschreitender Ermittlungen zu erwarten. Unternehmen müssen europaweit mit konsequenteren Verfahren rechnen. Da die neuen Strafvorschriften bereits greifen, wenn ein Verhalten geeignet ist, einen Umweltschaden zu verursachen, steigt das Risiko früher Ermittlungen spürbar.
Ein belastbares Compliance-Management-System wird damit zum zentralen Schutzfaktor. Unternehmen, die bereits über LkSG-Strukturen verfügen, sollten diese um umweltbezogene Anforderungen erweitern. Unabhängig von einer möglichen Abschwächung des LkSG bleibt ein wirksames Umwelt-Risikomanagement angesichts der künftigen Rechtslage unverzichtbar.
Künftig soll das „Ökosystem“ als weiteres Schutzgut in mehreren umweltstrafrechtlichen Normen aufgenommen werden, s. § 330d Abs. 1 Nr. 2 StGB-E. Gemeint sind ökologisch bedeutende, komplexe Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt. Relevante Ökosysteme sind z. B. Wälder, Moore, bestimmte Gewässer oder landwirtschaftliche Flächen; Kleinststrukturen wie ein einzelner Bienenstock fallen nicht darunter. Damit verschiebt sich der Fokus von einzelnen Umweltmedien auf deren funktionale Zusammenhänge. Für Unternehmen bedeutet dies, dass Eingriffe in Naturflächen künftig schneller unter einen strafrechtlich relevanten Ökosystembezug fallen können.
Künftig genügt bereits die Eignung einer Handlung, Umweltgüter erheblich zu gefährden, für eine Strafbarkeit. Damit wird das Umweltstrafrecht stärker präventiv ausgestaltet und der Handlungsspielraum für Ermittlungsbehörden erheblich ausgeweitet.
Der Entwurf erweitert das Strafrecht und erweitert die strafrechtliche Verantwortung für die folgenden strafrechtlichen Handlungen:
Im Abfallstrafrecht soll darüber hinaus die Geringfügigkeitsklausel des § 326 Absatz 6 StGB („geringen Menge“) entfallen; entscheidend ist künftig allein, ob schädliche Einwirkungen offensichtlich ausgeschlossen sind.
Die EU-Richtlinie und der Referentenentwurf definieren Rechtswidrigkeit weit und erfassen auch Fälle, in denen eine formal wirksame Genehmigung offensichtlich gegen materielles Umweltrecht verstößt.
In Deutschland trifft strafrechtliche Verantwortung regelmäßig zunächst die Geschäftsführung oder die für den jeweiligen Bereich verantwortlichen Führungskräfte. Mit Blick auf den Referentenentwurf bedeutet dies: Unternehmen können sich nicht blind auf Genehmigungen verlassen. Umweltrelevante Genehmigungen sollten kontinuierlich geprüft werden, um auszuschließen, dass sie offensichtlich fehlerhaft sind – andernfalls entstehen Strafbarkeitsrisiken auch für Leitungspersonen ohne eigenes Fehlverhalten.
Der Bußgeldrahmen nach § 30 OWiG soll erheblich steigen:
Für reine Ordnungswidrigkeiten bleibt es beim jeweiligen spezialrechtlich geregelten Höchstmaß des Bußgelds.
Der Entwurf befindet sich im Anhörungsverfahren; Länder und Verbände konnten bis zum 14. November 2025 Stellung nehmen.
Aus den Stellungnahmen kommt deutliche Kritik: Das neue Schutzgut „Ökosystem“ sei zu unbestimmt und berge in Kombination mit dem früheren Beginn der Strafbarkeit ein unkalkulierbares strafrechtliches Risiko für die Betriebe. Auch die massive Anhebung des Bußgeldrahmens wird als unverhältnismäßig und existenzgefährdend bewertet. Insgesamt warnen die Verbände, der aktuelle Vorschlag schaffe vor allem Rechtsunsicherheit, statt besseren Umweltschutz. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, in welcher Form das BMJ den Regierungsentwurf nach dem Kabinettsbeschluss schließlich in den Bundestag einbringen wird.