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Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen gem. §§ 138l ff. AO nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes


In unserer Serie von Briefings zu den Gesetzespaketen (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz und Wachstumschancengesetz), die das Bundesministerium der Finanzen im Juli vorgelegt hat, stellen wir in diesem Briefing den Vorschlag einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen gem. §§ 138l ff. AO-E vor.

Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen

Der vorliegende Referentenentwurf des Wachstumschancengesetzes sieht die Einführung einer Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen gem. §§ 138l ff. AO-E vor. Die nachfolgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über die geplante Einführung und beleuchtet die Auswirkungen für betroffene Steuerpflichtige.

 

1. Hintergrund

Durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 und der damit einhergehenden Umsetzung der DAC6-Richtlinie wurde bereits eine Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (§§ 138d bis 138k AO) eingeführt. Das Gesetz ist seit dem 1. Juli 2020 anzuwenden. Bereits in diesem Gesetzgebungsverfahren war zwischenzeitlich auch eine Mitteilungspflicht für innerstaatliche Gestaltungen vorgesehen, wurde aber letztlich wieder verworfen.

Nachdem die Koalitionsparteien bereits im Koalitionsvertrag erklärt haben, die Mitteilungspflicht auch auf inländische Steuergestaltungen auszuweiten, wurde dies nun mit dem Referentenentwurf des Wachstumschancengesetzes umgesetzt.

Ziel der Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen ist ausweislich der Gesetzesbegründung ungewollte Gesetzeslücken früher als bisher aufzuspüren und hierauf reagieren zu können. Zudem sollen die Finanzämter in die Lage versetzt werden, die aus den Mitteilungen gewonnenen Informationen veranlagungsunterstützend auszuwerten und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu fördern.

 

2. Mitteilungspflichtige Gestaltungen

Die Regelungen zur Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen orientieren sich eng an den gesetzlichen Bestimmungen zur Mitteilungspflicht über grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Unter einer innerstaatlichen Steuergestaltung versteht man:

  • Jede Gestaltung, die keine grenzüberschreitende Steuergestaltung (§ 138d Abs. 2 i. V. m. § 138e AO) ist,
  • die eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- oder Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer zum Gegenstand hat,
  • die mindestens ein Kennzeichen im Sinne des § 138l Abs. 3 AO-E aufweist und
  • von der ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist.

Die Kennzeichen mitteilungspflichtiger innerstaatlicher Steuergestaltungen im Sinne des § 138l Abs. 3 AO-E entsprechen größtenteils den Kennzeichen grenzüberschreitender Steuergestaltungen nach § 138e Abs. 1 AO. Dazu gehören beispielsweise:

  • Verlustbringende Unternehmen werden erworben, um deren Verluste zu nutzen,
  • Einkünfte in Vermögen, Schenkungen oder andere nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen bzw. Einkünfte werden umgewandelt, d.h. umqualifiziert,
  • zirkuläre Transaktionen von Gütern oder Rechten, bei denen das betroffene Vermögen nach einer Reihe von Transaktionen wieder zum ursprünglichen Nutzer bzw. Steuerpflichtigen zurück gelangt.

Es wurden allerdings auch neue Kennzeichen eingeführt, demnach kann eine mitteilungspflichtige Gestaltung, unter weiteren Voraussetzungen, vorliegen, wenn:

  • Derselbe steuererhebliche Sachverhalt mehreren Nutzern oder anderen Steuerpflichtigen oder einem Nutzer oder Steuerpflichtigen mehrfach zugeordnet werden soll. Damit sollen gesetzlich nicht gewollte Mehrfachberücksichtigungen erfasst werden, die zu einer Verringerung von Steueransprüchen führen,
  • durch aufeinander abgestimmte Rechtsgeschäfte zweckgerichtet steuerwirksame Verluste und ganz oder teilweise steuerfreie Einkünfte erzeugt werden. Damit sollen Kopplungsgeschäfte erfasst werden, bei denen steuerbegünstigte Gewinne mit steuerwirksamen Verlusten erzeugt und verbunden werden,
  • durch unangemessene rechtliche Schritte steuerliche Vorteile im Bereich des Steuerabzugs vom Kapitalertrag erzeugt werden.

Eine Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen besteht gem. § 138l Abs. 5 AO-E nur dann, wenn der Nutzer in mindestens zwei der letzten drei Wirtschaftsjahre, die dem Kalenderjahr vorausgehen, in dem das meldepflichtige Ereignis eingetreten ist, bestimmte Größenkriterien erfüllt. Konkret sind dies entweder eine Umsatzschwelle von 50 Mio. €, eine Summe positiver Einkünfte von mehr als 2 Mio. € oder ein Einkommen nach § 8 Abs. 1 KStG von mehr als 2 Mio. €. Eine Verpflichtung besteht unabhängig der Größenkriterien in Konzernfällen, bei einer Ausländerbeherrschung, bei einem Investment- oder Spezialinvestmentfonds sowie bei bestimmten Anlegern eines Investmentfonds. Eine Mitteilungspflicht besteht auch, wenn im Rahmen einer erbschaft- oder schenkungssteuerlicher relevanten Übertragung Vermögen von mindestens 4 Mio. € Gegenstand der Gestaltung ist sowie bei unmittelbaren oder mittelbaren Erwerben von grundbesitzenden Gesellschaften mit einem Grundbesitzwert von mindestens 5 Mio. €.

 

3. Meldeverfahren und Sanktionen

Meldepflichtig ist der Intermediär oder der Nutzer selbst, wenn es keinen meldepflichtigen Intermediär gibt oder er die innerstaatliche Steuergestaltung für sich selbst konzipiert hat. Der Nutzer ist auch meldepflichtig, wenn es um personenbezogene Angaben geht und der Intermediär einer Verschwiegenheitspflicht unterliegt und von dieser nicht entbunden wurde.

Die Meldung einer innerstaatlichen Steuergestaltung ist gegenüber dem BZSt innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Ablauf des Tages vorzunehmen, in dem das erste der nachfolgenden Ereignisse eintritt:

  • Die innerstaatliche Steuergestaltung wird zur Umsetzung bereitgestellt,
  • der Nutzer der innerstaatlichen Steuergestaltung ist zu deren Umsetzung bereit oder
  • mindestens ein Nutzer der innerstaatlichen Steuergestaltung hat den ersten Schritt der Umsetzung dieser Steuergestaltung gemacht.

Nach Eingang der Mitteilung weist das BZSt dem Mitteilenden eine Registrierungs- und Offenlegungsnummer zu, welche in der Steuererklärung anzugeben ist, in der sich der steuerliche Vorteil erstmals auswirken soll. Bei einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht drohen Bußgelder von bis zu 10.000 €.

 

3. Fazit

Angesichts der bisher geringen Erkenntnisse aus der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen trotz des hohen bürokratischen Aufwands ist die Erweiterung auf innerstaatliche Steuergestaltungen kritisch zu sehen. Sollte der Referentenentwurf umgesetzt werden, bedeutet dies einen erheblichen zeitlichen und administrativen Aufwand für die Steuerpflichtigen und deren steuerliche Berater sowie bürokratischen Aufwand für die Finanzverwaltung. Zudem führt die Ausweitung der Meldepflichten zu einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit, da insbesondere die Kriterien für die Meldepflicht häufig nur unklar formuliert sind und zu Fragen und Abgrenzungsproblemen führen.

 

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